Das Kreuzworträtsel ist 99
Artikel vom 17.12.2012
Welches kopfzerbrechliche Ding aus 15 Buchstaben gibt es dick in Zeitungspapier verpackt an jedem Kiosk?Richtig, das gute alte Kreuzworträtsel. Obwohl -- so richtig alt wie man glauben möchte, ist es gar nicht. Es war der 21. Dezember 1913, Willi Brandt ist bereits drei Tage alt und Heinz Conrads neugeboren, als in der Sonntagszeitung New York World ein rätselhaftes, rautenförmiges Gitter abgedruckt ist. Darunter Fragen für 31 Begriffe, die waagrecht oder senkrecht in das Gitter einzutragen wären. Ein Wort, FUN (Spaß), war vorgeben.
Das erste Kreuzworträtsel aus der New York World vom 21.12.1913.
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Dieses Rätsel gilt heute als das erste seiner Art. Erfunden und erstellt hatte es der Journalist Arthur Wynne (1862-1945), nachdem er beauftragt wurde, sich eine nette Knobelei für die Weihnachtsausgabe auszudenken. Der aus Liverpool stammende Wynne erinnerte sich angeblich an gemeinsame Wortspielerein mit seinem Großvater und soll das Kreuzworträtsel daraufhin in wenigen Tagen ausgearbeitet haben. Er nannte es "Word-Cross Puzzle", was soviel wie Wort-Kreuz-Rätsel heißt. Wenige Wochen später bekam es durch einen Druckfehler seinen heutigen englischen Namen: Crossword Puzzle.
Rätselspiele erfreuen sich schon die ganze Menschheitsgeschichte hindurch großer Beliebtheit - mal mehr, wie bei den Griechen oder Germanen, mal weniger, wie etwa bei den Römern.
Es überrascht fast, dass das Kreuzworträtsel erst so spät "entdeckt" wurde, zumal die Idee Wörter zu kreuzen uralt ist. Beim SATOR-Quadrat, zum Beispiel, bilden die lateinischen Wörter SATOR AREPO TENET OPERA ROTAS untereinander geschrieben ein vierfaches Palindrom; alle vier Leserichtungen ergeben die gleichen Wörter. Eine faszinierende Rarität, da mag man gern hinwegsehen, dass der Satz ziemlich sinnfrei ist und in etwa bedeutet: "Der Sämann Arepo hält mit Mühe die Räder".
SATOR-Quadrat in Oppède, Frankreich.
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Die ältesten SATOR-Quadrate wurden an Säulen eingeritzt in Pompeji gefunden und stammen aus dem ersten Jahrhundert vor Christus. Im Mittelalter war es weithin bekannt und verbreitet, aber nicht als Denkaufgabe, sondern sozusagen als ihr Gegenteil: als eine der wichtigsten Zauberformeln gegen Seuchen und Unheil. -- Vulkanausbrüche, Hexenprozesse, Pest und Kreuzzüge lassen uns heute den magischen Nutzen etwas anzweifeln.
Nun aber zu Rätselspielen mit mehr Unterhaltungswert. Schon der Volksmund kannte zahlreiche Knobelaufgaben und sie fanden auch Eingang in die Volksbücher. Auch die größten Dichter und Denker von Goethe und Schiller über Gustav Theodor Fechner bis hin zu Karl Kraus und J. R. R. Tolkien -- sie alle liebten das kreative Spiel mit der Sprache und hinterließen Worträtsel, Scharaden und Rätselreime. Aber kein Kreuzworträtsel.
Einen echten Vorläufer des Kreuzworträtsels schuf erst der italienische Rätselmacher Giuseppe Airoldi etwa 20 Jahre vor Andrew Wynnes Erstling. Airoldis Gitterquadrat bestand aus 4x4 weißen Kästchen, in das acht Suchbegriffe einzutragen waren. Waagrecht waren dies die Wörter RIPA, ODER, SERA und AMEN, senkrecht ROSA, IDEM, PERE und ARAN. Das Rätsel erschien am 14. September 1890 im Mailänder Magazin „Il Secolo Illustrato della Domenica“; ob noch weitere folgten, ist uns leider nicht bekannt. Airoldi starb am 13. Dezember 1913 acht Tage vor Wynnes erstem Kreuzworträtsel.
Einige Italiener wollten, dass die Erfindung des Kreuzworträtsel Airoldi zugeschrieben wird. Man entschied jedoch zu Gunsten Wynnes, da er in Folge das Kreuzworträtsel auch entscheidend weiterentwickelte. Wynne führte die schwarzen Leerfelder ein sowie die streng symmetrische Anordnung der Begriffe im Gitter, die heute noch typisch ist für amerikanische Crosswords, wie sie etwas in der New York Times zu finden sind. Heute nennt auch die italienische Wikipedia Andrew Wynne als Erfinder, widmet ihm aber im Gegensatz zu Giuseppe Airoldi keinen eigenen Artikel (Stand: 17.12.2012).
Soweit über die Anfänge des Kreuzworträtsels. Bald werden wir berichten, wie es weiterging, sofern uns nicht ausgerechnet an seinem 99. Geburtstag dank Maya der Himmel auf den Kopf fällt. Aber dagegen hilft ausgiebiges Kreuzworträtseln sicher weit besser als SATOR-Quadrate und vor allem hilft Gutes tun! Wir nehmen gern auch euren Dank nach erfolgreicher Weltuntergangsabwehr entgegen ;-)